Der Begriff Haltung hat allgemein viele Bedeutungen, wie z.B. Körperhaltung, mentale Haltung, Halt geben. Wie lässt sich aber eine professionelle pädagogische Haltung beschreiben? Im Vergleich zum Handwerker*in haben Pädagogen*innen auch einen Werkzeugkoffer an Methoden und Techniken, welche sie anwenden können. Jedoch kann nicht einfach eine Methode oder Technik wie ein Schraubenschlüssel herausgeholt werden. Hier kommt noch eine weitere Dimension zur Geltung, die professionelle Beziehung. Beziehung lebt von Echtheit, denn Klienten*innen spüren, wenn man „aus dem Lehrbuch handelt“ anstatt aus innerer Überzeugung. Wie kann eine Haltung erworben werden? Dies ist eine zentrale Frage für Professionalisierung, jedoch nicht leicht zu beantworten.
Definition von Haltung
Haltung ist die Art und Weise, wie wir uns zu uns selbst und zu unserer Umwelt in Beziehung bringen, wie wir uns mit unserer Außen- und Innenwelt auseinandersetzen, wie wir Beziehungen bestimmen, gestalten, in welchen »Schienen« wir denken und wahrnehmen. Sie bestimmt letztlich, was wir wahrnehmen oder für falsch halten. (Königswieser & Hillebrand, 2009, p. 74f.)
Kompetenzmodell
Johannes Keil und Pia Pasternack definieren eine professionelle Haltung folgendermaßen: „die Professionelle Haltung bezieht sich einerseits auf das handlungsleitende professionelle Rollen- und Selbstverständnis im Sinne eines Habitus, andererseits auf die sich beständig weiterentwickelnde Persönlichkeit der pädagogischen Fachkraft (Keil & Pasternack, 2011, p. 49).
Für eine Haltung im professionellen Kontext braucht es auch ein Fundament an Kompetenzen. Das Anforderungsprofil an Kompetenzen, um erlebnispädagogisch arbeiten zu können, ist sehr vielfältig, da sowohl mit unterschiedlichen Personengruppen, Örtlichkeiten und Techniken gearbeitet wird. Simon Priest beschreibt in seinem Qualifikationsmodell drei Kompetenzen, die sich einheitlich für alle erlebnispädagogischen Bereiche anwenden lassen: Hard Skills (technische Fertigkeiten), Soft Skills (psychologisches und pädagogisches Können) und Meta Skills (Persönlichkeit) (vgl. Priest & Gass, 1997).
Modell der Kompetenzstufenentwicklung
Noel Bruch entwickelte als Mitarbeiter von Gordon Training International in den 1970er Jahren das Model der Kompetenzstufenentwicklung. Er beschreibt damit die Entwicklung vom inkompetenten zum kompetenten Individuum (vgl. Oerter & Montada, 2002, S. 556 ff.). Hier ist besonders die 4 Stufe in Bezug auf Haltung zu beachten, denn hier ist das erworbene Wissen Teil der Persönlichkeit geworden, egal ob es sich dabei um Kenntnisse, Fähigkeiten oder Kompetenzen handelt. Weitere Autoren wie David Baume (2004), Mike McGinn (2005) oder Andrew Dyckhoff (2007) uvm. haben dieses Modell noch um eine 5. Stufe erweitert.
unbewusste Inkompetenz – Stufe 1
In dieser Stufe ist sich die Person nicht bewusst, dass sie etwas nicht weiß oder nicht kann. Personen mit unbewusster Inkompetenz handeln daher intuitiv falsch.
bewusste Inkompetenz – Stufe 2
Die Person ist sich bewusst oder weiß, was sie nicht kann oder nicht weiß. Personen mit bewusster Inkompetenz können zwar richtig handeln, aber ihr Handeln nicht deuten.
bewusste Kompetenz – Stufe 3
Die erste Stufe der Kompetenz ist erreicht. Die Person ist sich bewusst und weiß, was sie kann. Jedoch gelingt ihr dies nicht ohne bewusstes Konzentrieren, trotz des Wissens und der Fähigkeit. Personen mit bewusster Kompetenz können ihr Handeln deuten.
unbewusste Kompetenz – Stufe 4
Der Person ist es nicht bewusst oder sie weiß es nicht, dass sie etwas weiß oder kann. Durch die Erfahrung mit ihren Fähigkeiten und Wissen ist es zu einem Teil der Persönlichkeit geworden.
Bewusste unbewusste Kompetenz – Stufe 5
Die Stufe der bewusst unbewussten Kompetenz wird je nach Autor auch „Reflektive Kompetenz“ oder „Aufgeklärte Kompetenz“ genannt. In dieser Stufe kann oder weiß die Person etwas, ohne darüber nachdenken zu müssen. Zusätzlich besitzt die Person das Wissen und das Bewusstsein, andere beim Erlangen von Wissen, dieser Fertigkeiten und oder des Wissens zu unterstützen.
Innere Haltung entwickeln
Die zwei zuvor beschriebenen Modelle, Kompetenzmodell und Kompetenzstufenentwicklungsmodell geben zwei Hilfen, denn ab der Stufe 2 bin ich mir bewusst, welche Kompetenzen (Wissen und Fähigkeit) notwendig sind, welche mir fehlen und welcher es bedarf in Bezug auf die Soziale Arbeit. Durch das Erlangen und Anwenden (Stufe 3), später durch Erfahrung und Weiterentwicklung werden Teil der Persönlichkeit (Stufe 4), hier fängt innere Haltung an.
Haltung ist nicht „erlernbar“, denn das widerspräche dem Wesen von Haltung, die eben keine Methode ist, (Abstreiter, et al., 2017, p. 204). Durch Methoden ist es jedoch möglich, die eigene Haltung immer wieder zu überprüfen. Die Entwicklung einer Haltung ist auch kein Prozess, den man nach Erreichen abgeschlossen hat, sondern ein ständiges Auseinandersetzen mit sich selbst und den Motiven, blinden Flecken und Selbstreflexion seiner bisherigen Haltung und der Entwicklung hin zur gewünschten Haltung.
Der Aspekt der Selbstreflexion ist ein zentraler Aspekt zur Entwicklung einer Haltung, da ohne die eigene Bereitschaft nur schwerlich eine Weiterentwicklung überhaupt möglich ist. Hier hilft das Ablegen einer gewissen „konstruktivistischen Arroganz“, nämlich den Fehler bei den anderen und nicht bei uns selbst zu suchen (Meier-Gantenbein & Späth, 2012, p. 280). Denn wir können die Welt nur so sehen, wie sie uns zugänglich ist.
Ebenso wichtig ist die kollegiale Supervision, am besten als fester Bestandteil der pädagogischen Arbeit. Dabei wird nochmals eine weitere Dimension des Betrachtens, des Handelns und Wirkens aufgezeigt und blinde Flecken ausgeleuchtet (Johari-Fenster).
Das Feedback von Kunden / Klienten ist ein weiterer Punkt der Weiterentwicklung. Es entscheidet über die Wichtigkeit, die eine Beziehung zu Personen oder Personengruppen für ihn hat und in welchem System seine Werte und Ziele angesiedelt sind. Hierbei kommt es auch auf die Form und Methode der Evaluierung an. Wie lassen sich bei welcher Zielgruppe Erkenntnisse erlangen, um Hypothesen zu bilden, wie meine Haltung auf die Kunden / Klienten wirkt.
Nicht zu vernachlässigen ist die kontinuierliche Weiterbildung, als Chance für weitere Perspektiven, um den eigenen geistigen Horizont zu erweitern.
Zusammengefasst ist die Entwicklung einer Haltung im professionellen Kontext das Zusammenwirken von Kompetenzen, die verinnerlicht wurden und Teil der Persönlichkeit ist und durch kontinuierliches Auseinandersetzen mit dem eigenen Handeln und Wirken weiterentwickelt werden. Es benötigt Prozessbegleiter*innen, die verstehen, dass sie selbst sich in Entwicklung befindende Menschen sind (Lindenthaler & Lindenthaler, 2012, p. 148).
Literatur:
Abstreiter, R. & Zwerger, R., 2018. 2.12.1 Systemische Erlebnispädagogik. In: Handbuch Erlebnispädagogik. München: Reinhardt Verlag, pp. 69-72.
Abstreiter, R., Zwerger, R. & Zwerger, R., 2017. Außen handeln – Innen schauen. 1. Hrsg. Augsburg: Zielverlag.
Königswieser, R. & Hillebrand, M., 2009. Haltung in der systemischen Beratung. In: Systemische Organisationsentwicklung und Beratung bei Veränderungsprozessen. Heidelberg: Carl Auer Verlag, pp. 74-82.
Keil, J. & Pasternack, P., 2011. Qualifikationsprofile in Arbeitsfeldern der Pädagogik Kindheit. Stuttgart: Robert Bosch Stiftung.
Lindenthaler, C. & Lindenthaler, H., 2012. Natur als Partnerin: Systemische Prozessbegleitung in psychosozialen Handlungsfeldern. München: Buch & Media.
Meier-Gantenbein, K. F. & Späth, T., 2012. Handbuch Bildung, Training und Beratung: Zwölf Konzepte der professionellen Erwachsenenbildung. Weinheim: Beltz.
Oerter, R. & Montada, L., 2002. Entwicklungspsychologie. Ein Lehrbuch. Weinheim: Beltz Verlag.
Priest, S. & Gass, M., 1997. Effective Leadership in Adventure Programming. s.l.:University of New Hampshire.
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